Montag, 12. Mai 2014

Rezension: Ein Mann wie Holm

Coverabbildung von Blogg dein Buch


Ein Mann wie Holm...ist ein sehr eigenartiger und schwer zu beschreibender Mann. Er ist anders als die anderen, die man so kennt. Grüblerisch („Holm fragte sich, wer auf die Idee gekommen war, dass die Sonne lachen konnte. Seit die Ozonschicht immer dünner wurde, musste wohl eher von Schadenfreude seitens der Sonne gesprochen werden.“), meistens allein oder mit seiner alten Tante zusammen, ist er nicht besonders lebenstüchtig und sozial massiv gehemmt, man könnte sogar sagen: sozial inkompetent. Alles, was andere Menschen gern miteinander tun, überfordert ihn, schreckt ihn ab oder ekelt ihn sogar: Unterhaltungen, Familientreffen, Einkäufe und, ja, auch die bloße Vorstellung von Nähe zum anderen Geschlecht.
Bevor ihm Gesine Mugsch die Anschaffung (Erringung? Installierung? Ernennung?) einer Frau an seiner Seite empfahl, hatte Holm die weibliche Welt lediglich zur Kenntnis genommen, etwa wie man feststellte, dass es einen Mond gab oder den Großen Wagen.“ Mit ihm selbst hatte das mit den Frauen allerdings nicht das Geringste zu tun. Doch schon bald bemerkte er, „dass er Frauen nicht mehr nur als Mitbürger ansah, sondern sie auch unter dem Gesichtspunkt der Lebenshaltungskosten betrachtete. [..] Sogleich überlegte er, ob es sich überhaupt lohnte, in eine Frau zu investieren und welche Art Aufwandsentschädigung er von ihr erwarten konnte. Konkret: war es sinnvoll, sein Geld für ein Produkt auszugeben, das man vielleicht gar nicht brauchte?“ Nachdem er aber festgestellt hat, dass es normal zu sein scheint, als Mann irgendwann auch eine Frau an seiner Seite zu haben, macht er sich weitergehende Gedanken zur Frauenwahl: „Tante Hede gehörte zu jenen Frauen, die sich ein Mann und Mensch wie Holm nur wünschen konnte: gut gelaunt, lebenstüchtig und alt.“ Das Schlüsselwort ist hier „alt“, denn Frauen über 50 träumen nach Holms Erkenntnissen nicht mehr von so unrealistischen Dingen wie „einem glücklichen und erfüllten Dasein“, hatten keine „Illusionen vom partnerschaftlichen Miteinander“ mehr - aber vor allem wollten sie keinen Sex! Denn eine Beziehung stellt sich Holm in der Tat so vor wie das Zusammenleben mit seiner Tante: Es gibt einen festgelegten Ablauf, jeden Tag wird zur gleichen Zeit aufgestanden, gefrühstückt, einer kauft ein, einer saugt Staub, mittags wird pünktlich gegessen, dann machen beide in getrennten Zimmern (!) Mittagsschlaf bis Punkt zwei usw. Jede noch so kleine Änderung in diesem Plan bringt Holm komplett durcheinander, daher lehnt er dies auch ab. Gefühle sind nicht eingeplant, eine Ehe ist für ihn eher eine Zweckwohngemeinschaft. Allerdings ist ihm auch sein eigener Marktwert und der altersmäßig passender Frauen klar: Man war „nicht mehr das neueste Modell auf dem Markt“ und sowieso hieß es „mit spätestens vierzig Abstand nehmen von Träumen und Hoffnungen.“ Denn „wer nach vierzig Jahren Lebenspräsenz keinen Abnehmer gefunden hatte, konnte sich nur noch als Schnäppchen vermarkten.“
So plätschert sein Alltag dahin, es passiert praktisch nichts, aber in Holms Gehirn schlägt schon dieses Nichts Funken, seine Gedanken drehen sich im Kreis, er seziert jede kleinste Situation, jedes Gespräch, jede Handlung, jeden vermutlichen Gedanken seines Gegenübers, selbst die Anordnung der Regale im Supermarkt: „Dabei fiel ihm auf, dass der Warenpräsentation eine ausgeklügelte Dramaturgie zugrunde lag, die offenbar direkt dem menschlichen Leben abgeschaut war. Wesentliches folgte auf Unwesentliches, Frisches auf Konserviertes, Grundnahrungsmittel auf Mixed Pickles. Gemüse, Quark, Fleisch – besser konnte man das Leben nicht beschreiben.“ Der Leser ist quasi Beifahrer in Holms Hirn und bekommt daher jeden noch so verqueren Gedanken im Detail mit, auch, als Holm dann endlich eine Frau findet – oder besser gesagt: sie ihn.
Weil Holm mit allem, was für einen „normalen“ Menschen Alltag ausmacht, ein Problem hat, dachte ich des Öfteren beim Lesen: „Spinnt der denn komplett?“ Leider lautet die Antwort wohl: JA. Denn es wird nicht besser. Hatte ich anfangs noch die Hoffnung, der Auszug bei Tante Hede lasse diesen eingefleischten fast-40-Junggesellen aufblühen, wurde ich eines Besseren belehrt. Obwohl „eines Besseren“ nicht ganz passend ist, schließlich wird hier nichts besser. Denn was anfangs noch witzig anmutet, nervt irgendwann einfach nur noch. Ich habe das Buch nur häppchenweise gelesen, weil das, was Holm tut und denkt, dermaßen anstrengend ist, dass ich es nicht auf einmal konsumieren mochte. Doch nach knapp 200 Seiten war es nur noch Quälerei. Seine detaillierten Ausführungen zu Onanie, seinem ersten Mal und Körpervorgängen wie Blähungen sind irgend etwas zwischen eklig, pervers und krank, wie ich finde. Das ist das erste Rezensionsbuch von Blogg dein Buch, das ich nicht zu Ende gelesen habe, weil es mich einfach angewidert hat.
Es gibt einige schöne Formulierungen und intelligente Gedanken in diesem Buch, wie z.B. „Er sah die Großaufnahme eines weiblichen Gesichts, das ihm wie die Oberfläche eines fremden Planeten erschien. Mit nur wenigen Zentimetern Entfernung flog das Holm-Shuttle über diesen eigenartigen Mond und suchte nach Hinweisen auf fremdes Leben.“ oder „Holms Empfehlung im Restaurant stand sofort fest: Rucola mit Balsamico und Schafskäse, Wiener Schnitzel mit Pommes und abschließend ein Orangenparfait. So sprach jemand, der in Europa zuhause war und für den das Schengener Abkommen auch auf dem Gaumen Gültigkeit besaß.“ Leider hilft das über das „Gesamtpaket“ des Buches nicht hinweg, so dass ich es nur sehr eingeschränkt empfehlen kann. Vielleicht habe ich irgend etwas an dem Buch nicht verstanden, vielleicht kann ich mich auch nicht gut genug in derart seltsame Menschen bzw. Männer einfühlen, aber für mich war das Buch von Matthias Keidtel aus dem Dotbooks-Verlag überhaupt nichts.

1 Kommentar:

Doro hat gesagt…

Klingt wirklich inhaltlich etwas anstrengend, wobei stilistisch durchaus nicht uninteressant. Aber ich glaube, ich würde es nicht lesen. Was ich irgendwie witzig finde ist, dass ich tatsächlich einen Holm kannte, der mit dem Helden des Buches verblüffende Ähnlichkeit hatte ...

LG Doro

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